Valentin Lay
Im letzten Artikel hat uns Valentin Lay erläutert, warum Krafttraining für OCR-Athleten* eine Trainingskomponente ist, die ohne Wenn und Aber in ein ganzheitliches Trainingsprogramm gehört. Im nächsten Schritt wird er euch praktische Trainingsempfehlungen für das Krafttraining geben und euch am Ende ein exemplarisches Programm zur Verfügung stellen.
* Wegen der besseren Lesbarkeit verzichten wir auf die weibliche Form in diesem Artikel, sprechen aber immer beide Geschlechter an.
Grundüberzeugung
Als allererstes müssen wir uns die Frage stellen, welche Mission wir mit einem Krafttraining verfolgen. Die folgenden Punkte bilden dabei meine Grundüberzeugung ab:
- Verhindere Verletzungen im Krafttraining!
Jede Komponente (Übungen, Methoden, Intensität, usw.), die in das Trainingsprogramm integriert werden soll, muss einem Risiko-Nutzen-Abgleich unterzogen werden. Zu Beginn meiner Trainerkarriere glaubte ich, dass es richtig und gut ist, wenn Athleten mit kleinen ‚Wehwehchen‘ (Bsp.: verspannter Rücken vom Kreuzheben) aus meiner Trainingseinheit gehen. Der Spruch „No pain, no gain!“ gehört ja nicht umsonst zu den 10 Geboten der Trainingslehre ?. Am Ende sollte sich keiner, egal ob er mit einem Trainer oder individuell trainiert, beim Krafttraining verletzen bzw. schmerzen bei Übungen haben. So sollte die Übungsauswahl für einen 30-jährigen OCR-Anfänger, der noch nie ein schwereres Gewicht als 5kg in seiner Hand hatte, anders aussehen, als für einen 30-jährigen OCR-Athleten der eine langjährige Lauf- und Krafttrainingserfahrung besitzt.
- Verringere die Anzahl von Verletzungen!
Bereits im vorherigen Artikel wurde darauf eingegangen, warum es wichtig ist, möglichst verletzungsfrei seinen Sport auszuüben. Zum einen, weil jede Verletzung die Chance verringert, dein Trainings- bzw. Wettkampfziel zu erreichen. Zum anderen, weil wiederum jede Verletzung nachweislich zu einem erhöhtem Verletzungsrisiko führt. So hat Saragiotto, B. T. et al. (2014) herausgefunden, dass das größte Risiko eine laufbedingte Verletzung zu erleiden, eine Vorverletzung in den letzten 12 Monaten ist. Außerdem verletzen sich 40-60% aller Läufer pro Jahr mindestens einmal (Walter, S. D. et al. 1989, Marti, B et al. 1988, Van Gent, R. N. 2007)!
Man wird niemals ein Trainingsprogramm entwickeln, welches alle Verletzungen verhindert, aber man sollte realisieren, dass die Verletzungsprävention mindestens genauso wichtig ist, wie die Leistungssteigerung.
- Verbessere die Leistungsfähigkeit!
Mit den Worten des Trainers Valentin: “Jeder OCR-Athlet strebt nach einer Leistungssteigerung bzw. einer besseren Wettkampfzeit. Auch für mich gehört dies zu der fundamentalen Mission eines Krafttrainings. Allerdings unterscheide ich mich zu anderen Trainern in der Hinsicht, dass viele dieses Ziel an oberste Stelle setzen bzw. sogar nur als einziges Ziel verfolgen. In meiner Grundüberzeugung sollten aber alle drei genannten Punkte, bei der Gestaltung eines Krafttrainings für OCR-Athleten berücksichtigt werden.”
Trainingsziele für OCR-Athleten
Nachdem wir die Zielsetzung für ein erfolgreiches Krafttraining eindeutig formuliert haben, können wir nun konkrete Trainingsziele für OCR-Athleten definieren. Das erste Trainingsziel lautet: stärker werden. So ist man in der Lage, höhere Kräfte beim Laufen oder der Hindernisüberquerung zu erzeugen. Je mehr Kraft ich beim Fußaufsatz generieren kann, desto höher ist der ‚Antrieb‘ mit dem sich mein Körper nach vorne bewegt. Man kann sich das wie einen Flummi vorstellen, den man auf den Boden wirft. Lasse ich den Flummi auf den Boden fallen, so springt der Flummi maximal so hoch bis zu dem Punkt, von welchem ich ihn fallen gelassen habe. Werfe ich den Flummi mit voller Wucht auf den Boden, springt dieser vielleicht 5x so hoch. Im Fachjargon nennt man diesen gewünschten Trainingseffekt, eine verbesserte neuromuskuläre Koordination.
Das zweite Trainingsziel lautet: schneller werden. Dabei ist es nicht nur wichtig, möglichst hohe Kräfte zu mobilisieren, sondern diese hohen Kräfte auch in möglichst kurzer Zeit zu erzeugen. Die Relevanz diesbezüglich zeigt sich, wenn man sich die durchschnittlichen Bodenkontaktzeiten bei OCR-Athleten anschaut. Sie liegen bei ca. 0.13-0.17 Sekunden und so muss in diesem kurzen Zeitfenster eine hohe Kraftrate erzeugt werden.
Das letzte Trainingsziel, welches man durch Krafttraining für OCR-Athleten erreichen möchte, ist eine hohe strukturelle Toleranz. Diese verweist auf die Kapazität der Muskeln und des Skeletts, möglichst effektiv Kraft zu transferieren und effiziente Bewegungen zu generieren. Man könnte sich die strukturelle Toleranz als Luftballon und die OCR-Trainingsbelastung als die einströmende Luft vorstellen. Je größer der Luftballon (Kapazität der Muskeln, Sehnen und Gelenke), desto mehr Luft (Lauftraining, OCR-Training und Wettkämpfe) kann dieser fassen ohne zu platzen – also sprichwörtlich zu Ermüdung oder sogar zu Verletzungen zu führen.
OCR-Kraftprogramm
Kommen wir nun zum Punkt, auf den ihr die ganze Zeit gewartet habt: Was kann ich denn jetzt als OCR-Athlet im Krafttraining machen, um die vorher genannten Ziele zu erreichen?
Beim folgenden Kraftprogramm für OCR-Athleten gibt es drei unterschiedliche Trainingsblöcke. Die Reihenfolge der Blöcke ist sehr wichtig, da komplexe und schnellkräftige Übungen immer an den Anfang gestellt werden sollten, damit diese möglichst frisch und ausgeruht ausgeführt werden können. Der erste Block dient dazu schneller Kraft umzusetzen, im zweiten und dritten Block liegt der Fokus auf Kraftentwicklung und Erhöhung der strukturellen Toleranz.
Mache jeweils 3 Sätze der folgenden 7 Übungen!
Zwischen den Sätzen mache 60 – 90s Pause
A1) Vertikaler Sprung – 5x
https://www.youtube.com/watch?v=uMwzDfC2deo
A2) Schulter Taps – 5x pro Seite
https://www.youtube.com/watch?v=N2ihD6S6Ksk
B1) Ausfallschritt rückwärts – 6x pro Seite
https://www.youtube.com/watch?v=PqQuf_l95jU
B2) Klimmzug – AMGRAP (As many good reps as possible)
https://www.youtube.com/watch?v=6UQ32UiP4ts
C1) Hip Thrust – 6x
https://www.youtube.com/watch?v=OXl9TYXIKO4
C2) Liegestütz – AMGRAP
https://www.youtube.com/watch?v=bIPfZgoSh3M
C3) Kettlebell Koffer Tragen –15m pro Seite
https://www.youtube.com/watch?v=v67GweolLNY
Finale Gedanken
Dieses Programm kann dir dabei helfen, stärker, schneller und robuster für OCR zu werden. Das Programm basiert auf wissenschaftlichen Erkenntnissen und meiner langjährigen Erfahrung. Dementsprechend ist es ein qualitativ hochwertiges KRAFT-Programm und keine willkürlich zusammengewürfelte Fitness-Einheit (Crossfit, Tabata, P90X, usw.), welche meistens das Ziel haben dich so kaputt zu machen, bis das Laktat aus deinen Ohren quillt, ohne dabei die spezifischen Trainingsziele für OCR zu berücksichtigen. ? Den wichtigen Unterschied zwischen einem Workout und einem Training, werde ich im kommenden Artikel erläutern. Entscheidend ist, dass das Programm regelmäßig ins Training eingebaut und die Übungen mit einer sauberen Technik durchgeführt werden.
Zum Schluss wollen wir darauf hinweisen, dass dies ein allgemeines Programm ist, welches nicht auf deine individuellen Bedürfnisse angepasst ist. Idealerweise sollte ein Krafttraining immer von einem qualifizierten Coach geplant und kontrolliert werden. Damit stellt ihr sicher, dass die Bewegungsqualität stimmt und eine Kompetenz-basierte Progression stattfindet, um am Ende die größtmöglichen Effekte für das OCR zu erzielen. Hast Du Interesse an einem individuellen Trainingsplan, dann schreibe uns ein Email an info@hindernislaufguru.de
Valentin Lay ist studierter Sportwissenschaftler und arbeitet bereits seit 8 Jahren im professionellen Fußball als Athletiktrainer. Er hat mit dem DOSB Athletiktrainer die höchste Ausbildungsstufe in Deutschland. Durch ihn wurden bereits einen nennenswerte Anzahl an Läufern auf ihre Wettkämpfe vorbereitet. Zusätzlich hat er viel Zeit investiert, das Training für OCR-Wettkämpfe zu optimieren.
Quellen:
Saragiotto, B. T., Yamato, T. P., Junior, L. C. H., Rainbow, M. J., Davis, I. S., & Lopes, A. D. (2014). What are the main risk factors for running-related injuries?. Sports medicine, 44(8), 1153-1163.
Walter, S. D., Hart, L. E., McIntosh, J. M., & Sutton, J. R. (1989). The Ontario cohort study of running-related injuries. Archives of internal medicine, 149(11), 2561-2564.
Marti, B., Vader, J. P., Minder, C. E., & Abelin, T. (1988). On the epidemiology of running injuries: the 1984 Bern Grand-Prix study. The American Journal of Sports Medicine, 16(3), 285-294.
Van Gent, R. N., Siem, D., van Middelkoop, M., Van Os, A. G., Bierma-Zeinstra, S. M. A., & Koes, B. W. (2007). Incidence and determinants of lower extremity running injuries in long distance runners: a systematic review. British journal of sports medicine, 41(8), 469-480.