Volker Pellen

Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt

Wenn Läufer regelmäßig an Wettkämpfen teilnehmen, entwickeln sich mit der Zeit Rituale, die unbedingt zu befolgen sind. Neben den Ritualen gibt es auch Gegenstände, die einem Glück bringen, wie das bestimmte Paar Socken oder das spezielle Laufshirt, ihr kennt das. Sollte es mal nicht so funktionieren mit den Ritualen, bleibt man am besten gleich im Bett. Stehen die Wettkampf-Glückssocken nicht zur Verfügung, weil sie wegen einer frevelhaften Nutzung beim Training noch in der Wäsche sind, ist es, als wenn man die Schuhe verkehrt herum anzieht. Es kann aber auch ganz anders laufen (Wortspiel).

Samstag, 06.09.2015 07:15 Uhr: Ich werde wach. Hatte ich den Wecker nicht auf null acht hundert gestellt? Ich blicke in eine Hundeschnauze. Da muss wohl jemand raus. Hoffentlich habe ich jetzt nicht zu wenig Schlaf gehabt, war ich doch in den letzten Wochen ein wenig schlapp. Und was ist das jetzt? Beim ersten bewussten Schlucken verspüre ich einen leichten Schmerz. Das sind wohl die Mandeln, die sich da melden. Hat der Sohn mich angesteckt?

Egal, bin wach und wage mich vor die Tür. Wetter scheint in Ordnung zu sein, endlich mal was Positives. Der Hund ist versorgt, also Sachen zusammenpacken, denn gleich geht es zum Battle of Thor nach Genk in Belgien. Der Battle of Thor ist die neuste Veranstaltung der Spartacusseries und wird in diesem Jahr zum ersten Mal stattfinden. Entgegen der üblichen 10 km der Spartacusseries hat man hier mal 2 km draufgelegt. Als Alternative gibt es allerdings auch eine 7 km Strecke.

T-Shirt, Hose …. wo ist denn die Hose? Alle Schränke werden durchwühlt. Das darf doch nicht wahr sein, meine heilige Wettkampfhose. Nach ca. 15 Minuten Suche finde ich sie im Waschraum. Glück gehabt. Die Glücksocken, oh nein, sind noch in der Wäsche. Ich werde wahnsinnig. Hilft nichts, ruhig bleiben. Um 10:00 Uhr wollen wir los. Wie ihr wisst, bin ich gerne etwas früher da, wegen der besseren Parkplätze und der wenig benutzten Toiletten. Es ist bereits 09:30 Uhr und ich wollte doch noch duschen. So manchen wundert es, dass ich vor einem Matschlauf duschen gehe, aber erstens bin ich dann wach und zweitens bekommt man nach dem Lauf die Haare besser sauber – dachte ich…!

Auch die gereizte Anspannung am Wettkampftag kennt sicherlich auch der ein oder andere Läufer und auch Dialoge wie dieser sollten dem ein oder anderem bekannt vorkommen: „Sag mal, hast du meine Uhr gesehen?“ – „Weiß ich doch nicht, wo du deinen Kram immer hinlegst.“ … 20 Minuten später … „Ich hab die Uhr im Spiegelschrank gefunden. Dort habe ich sie mit Sicherheit nicht hingelegt.“ – „Wenn du immer alles rumliegen lässt.“ Die Stimmung steigt, denn es ist schon 10:20 Uhr. Ich hasse sowas.

So, jetzt habe ich soweit alles zusammen, fehlen nur noch die Schuhe. Wo sind die denn schon wieder. Die lagen doch unten im Bad. Nach einigem Suchen habe ich auch die gefunden und musste mit erschrecken feststellen, dass ich die noch gar nicht sauber gemacht habe. Dreck vom letzten Lauf hat sich festgesetzt und die Schuhe sind knüppelhart.  OHNMACHTSGEFÜHL!

Um 11:00 Uhr, in Worten elf, steigen wir nun dann doch endlich ins Auto mit Glückssocken der Kategorie C und normalen Laufschuhen. Eigentlich will ich gar nicht mehr. Trotzdem fahren wir los. Nach wenigen Metern leuchtet das Zeichen für Tankreserve. Leute, es gibt Momente im Leben, da darf ein Mann ruhig weinen.

Kurz nach zwölf erreichen wir das Stadion des KRC Genk. Da das Stadion ca. 25.000 Zuschauer fasst, sind hier genügend Parkplätze vorhanden. Nach einem kleinen Fußmarsch erreichen wir auch den Thorpark und das Veranstaltungsgelände. Auf dem ersten Blick wie immer. Abholen des Umschlages mit dem Chip im Knöchelband für die Zeitmessung und auch für die Videos und Fotos, welche später auf einer persönlichen Minihomepage eines jeden Läufers zu finden sind, wenn man die Startnummer eingibt. Dazu noch ein extra Armband für den Einlass in die Startbox. Mit dem Umschlag geht man dann zur T-Shirt Ausgabe und bekommt auch dort relativ schnell sein T-Shirt. Oh, dieses Mal gibt es ein knallgelbes.

In einer halben Stunde starten schon die 7 km und 1 Stunde später die erste Welle der 12 km Läufer mit mir dabei. So spät war ich echt noch nie.

Die Spartacusseries starten in Wellen mit jeweils ca. 250 Personen. Finde ich persönlich ziemlich gut, weil so der Massenauflauf vor den Hindernissen ein bisschen unterbunden wird.

In vielen Läufen der Spartacusseries gibt es direkt nach dem Start das Hindernis „The Wall“, welches später in Temple of … (Eventname) umbenannt wurde. Heute gab es keine Wand, nein, hier war direkt hundert Meter nach dem Start eine Rampe – Temple of Thor. Und die sollte nicht einfach werden, wie man beim Start der 7 km sehen konnte.

Für den nächsten Abschnitt bitte ich minderjährige Leser einfach mal diesen zu überspringen, denn der Moderator schien irgendwas in seinem Kaffee gehabt zu haben. Zunächst munterte er die Starter auf, seinen Kampfschrei nachzusprechen, welcher mit Motherfu**er endete. Ok, das kann man so gerade noch durchgehen lassen. Anschließend forderte er die Menge auf die Fäuste geballt in die Luft zu stoßen. Eigentlich eine gängige Geste, aber sein Zusatz, als ob ihr Thor „fisten“ würdet, ließ so manche Faust wieder sinken. Scheinbar merkte er nicht, dass er wohl eine Grenze überschritten hatte, denn er fragte nochmal nach, „ihr wisst doch was das ist!?“ und ballte dabei seine Faust. Verstörte Blicke in den Startblöcken!

Nun zum Rennen, obwohl der Moderator gleich nochmal auftaucht. Start der ersten Welle der 7 km Strecke und es kam wie befürchtet. Viele hingen schon am ersten Hindernis fest. Wenige schafften die Rampe im ersten Anlauf. Und mit jedem Schmutzkorn wurde diese rutschiger. Die Zeit verging und der Start der nächsten Welle stand schon bereit. Dann kam die Durchsage, dass die Läufer, welche es bisher noch nicht geschafft haben, bitte die „Chickenlane“ benutzen sollten. Ein Mädel versuchte es dennoch und legte sich dabei richtig hin. Der Moderator machte sich über sie lustig und forderte die Menge zum Applaus auf für diesen fantastischen Sturz. Als er dann sagte, dass wohl nur noch die „Chickenlane“ übrig bleiben würde, bekam er von der sichtlich verärgerten Dame nur noch ein „Fuck off“ zu hören, was der Moderator durch das Mikrofon mit Fo*ze entgegnete. Bei aller Liebe, aber das war dann der Moment, wo ich dem Typen die rote Karte gegeben hätte.

13:45 Uhr – Es geht in den Startblock. Nervosität verspürte ich kaum, war der Tag doch bisher echt scheiße verlaufen, die Vorbereitung auch eher mangelhaft war und ich mir nicht vorstellen konnte, dass es besser werden würde.

Der erste Läufer der 7 km Strecke erreicht nach ca. 42 Minuten das Ziel. Fand ich ziemlich lang für 7 km, was auf die Qualität der Strecke hindeuten ließ.

3, 2, 1… Start, pünktlich um 14:00 Uhr.

Die Rampe – kurz die Lage checken, Lücke finden im Gewühl, nochmal durchstarten, Gas geben und… oh, ich war oben – beim ersten Versuch. Zum ersten Mal am heutigen Tage stellte sich sowas, wie ein Glücksgefühl ein.

Das Rennen war im vollen Gange. Zeitmessung verlief erst nach der Rampe. Das ist fair, dachte ich so und lief über den Zeitmesspunkt. Nächstes Hindernis war „Fire Pit“ auf dem Gelände eines stillgelegten Förderturms. Hier wurde früher Kohle gefördert. Wieso ist das ein Hindernis fragte ich mich, als plötzlich seitlich Feuerfontänen explodierten, wie man es von einem Rockkonzert her kennt. Der Schreck fuhr einem kurz in die Glieder, aber dann war es auch schon vorbei.

„Fallen Mikado“ war eine Holzkonstruktion, die kein schwieriges Hindernis darstellte. Ein bisschen drüber und drunter und man war durch. Genau das richtige zum Warmwerden.

Dann kam „Muddyclious“ – ein Moorbad vom feinsten und das Oberschenkeltief. Es roch richtig ekelig nach Brackwasser, aber darum ist man ja hier. Matsch. Ab und zu musste man auch runter, um unter den Stacheldraht zu kommen. Als man dieses Loch verlassen hatte, war man schwarz bis zur Brust und stank zum Himmel.

Glücklicherweise war dementsprechend das nächste Hindernis „Waterfest“ sehr willkommen. Vom Steg ins Wasser, schwimmen, über eine künstliche Insel klettern, wieder schwimmen, die nächste Insel und ein drittes Mal schwimmen. Äußerlich abgekühlt folgte nun der Verpflegungsstand, wo man auch das innere mit Wasser durchspülen konnte. 3 x Verpflegung für 12 und 2 x für 7 km fand ich sehr großzügig. Hier von mir ein „sehr gut“.

Nun teilte sich die Strecke bei km 3. Die Langstreckenläufer mussten nach rechts abbiegen. Schilder und auch Personal haben deutlich darauf hingewiesen. „Top“ Auch die Kilometerangaben finde ich super.

Hindernis 7 – Swamp Mania. Ein kleines Flüsschen mit einer Masse, Wasser kann ich es nicht nennen, wurde an einigen Stellen in der Mitte halbiert. Also rein in den „Bach“ unter das Hindernis durch und auf der andern Seite wieder raus. Das ganze 6x. Nette Idee.

Das nun kommende Waldstück wurde an einer Stelle ein wenig benebelt und mit Flashlight bestückt, womit es dann den Namen „Phantom Forest“ bekam. Nichts Besonderes und eher langweilig.

Nun kam „Terrilfying“. Ich hatte ja bereits erwähnt, dass hier Kohle gefördert wurde, was natürlich auch andere Sachen mit an die Erdoberfläche brachte. Dieses Geröll wird in der Regel zu „kleinen“ Bergen aufgeschüttet und früher oder später begrünt. Ein solcher Berg war Terrilfying. Ich kann nur sagen ekelhafter Anstieg. Dazu ein rutschiger Schotterweg. Schilder des Veranstalters wiesen darauf hin, es lieber ruhig angehen zu lassen, sowohl bergauf, als auch bergab. Es kam mir echt endlos vor. Nach dem Motto „Runter kommt man immer“ ging es dann auch wieder runter. Und nicht das man schon genug gekraxelt (schreibt man das so?) wäre – nein – „Break Back Mountain“ sollte einem wirklich das Genick brechen. Am Fuße des Anstiegs hat der Veranstalter noch ein Schild angebracht: „Fies steil“. Wenn ein Karamelbonbon ein Blombenzieher ist, ist das hier der Zieher von Mut und Wille. Man spürt so richtig, wie die Beine mit jedem Schritt härter werden.

Geschafft und danach eine Verpflegungsstation – gutes Timing.

Die klassische Wasserrutsche in einen See ließ die 7 und 12 km Strecke wieder zusammenwachsen. Danach Hindernis 12 „Paille le fou“ aus Strohballen, Baumstämmen und Autoreifen war ein normales drüber und drunter Hindernis, was aber für den eine oder anderen zur Hürde wurde und nicht mehr so locker, wie die Fallen Mikados genommen wurde. Etwas später dann noch der übliche Reifenstapel.

Wir hatten uns seit einiger Zeit zu einem Dreierteam zusammengefunden, wo jeder Mal die Führung übernommen hatte. Wenn man die Hindernisse nicht kennt, sollte man sich immer in kleinen Gruppen zusammenfinden, denn wenn Hindernisse kommen, die man alleine nicht schafft, steht man da mit offener Hose. Da ich echt gut drauf war (warum auch immer, denn Vorbereitung und alle anderen Umstände sprachen dagegen), war nun der Zeitpunkt den Druck zu erhöhen. Diesem Druck hielten meine Begleiter beim Lauf durch das Stadion vom KRC Genk noch stand und konnten dann sogar einen kleinen Vorsprung herauslaufen, weil ich bei der Verpflegung im Stadion auf ein Red Bull nicht verzichten wollte. Im Stadioninneren lief laute Musik, was einem für einen Moment Gänsehaut verursachte. Ich glaube noch cooler hätte ich eine Endlosschleife vom Torjubel gefunden, aber so war auch schon geil. Und die Streckenposten hatte so auch ein bisschen Abwechslung.

Aus dem Stadion raus, wieder aufgeholt und vorbeigezogen, zügig durch „Itsy Bitsy Spider“ ein Hindernis mit gespannten Gummibändern, wo die Gummibänder nicht das Problem waren sondern die Teilnehmer, die sich absolut ungeschickt verhalten haben und so ein größeres Hindernis dargestellt haben. *lach*

„De Put“ ist ein tolles Hindernis aus Baugerüst und Brettern. Klettern, rutschen, robben, ducken,… alles drin. Nun noch das Hindernis „Crossroads“, das Hindernis, dass auf jedem Rennen der Spartacusseries zu finden ist. Eine Schräge ist mit Hilfe von Seilen zu erklimmen und auf der anderen Seite wieder runter. Normalerweise kann man unten auch durch, daher auch der Name.

Das Finale Hindernis „Fear of Yeti“ hatte als Zusatzgimmick eine Schneepiste. Die meisten rutschten auf ihrem Hintern hinunter, ich bin einfach runtergerannt, war auch nicht spektakulärer als die Schotterpisten auf den Hügeln, welche die 7 km Läufer allerdings ja gar nicht kannten.

Finish nach ca. 1:14 auf meiner Uhr. Ich hatte allerdings schon beim Startschuss den Knopf gedrückt. War doch super gelaufen. Noch die Medaille um den Hals, Red Bull, Wasser und Honigkuchen in die Hand gedrückt und fertig. Das war der Battle of Thor 2015 in Genk.

Und jetzt noch der Hammer. Ich wurde 67. Von ca. 3300 Startern über den 12 km Lauf. Darüber hinaus zum ersten Mal Sieger in meiner Altersklasse, d. h. ERSTER von knapp 130. Und das bei so einem Start in den Tag.

Nächste Woche geht es zur Combat Edition des Galdiatorruns in Dietz (Belgien).


Hol Dir Dein neues Outfit!

Das Team Germany Trikot in der Guru edn.!

SHOP

Write a comment:

*

Your email address will not be published.

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

Folge dem Hindernislaufguru: