Sina Cordsen und Volker Pellen

Be the best one you can be

Nicht nur als Leistungssportler steht man beim Hindernislauf unter Druck. Alleine die Situation eines Hindernisses, das man noch nie zuvor gemacht hat oder noch schlimmer noch nie geschafft hat. Wenn es dann auch noch ein Publikumsmagnet ist und sehr viele Leute dabei zusehen, wird der Druck eines möglichen Versagens unendlich groß.

Ok, machen wir den worst case daraus und stellen uns vor, dass dieses das letzte Hindernis vor der finish line ist, du liegst in Führung und dein direkter Gegner ist dir direkt auf den Fersen. Um nun noch das I Tüpfelchen weiterzuführen, es gibt einen Sponsor mit einem Megadeal und der Sieger dieses Rennens bekommt ihn.

Hab ich nun genug Druck aufgebaut?

Wie sich dieser Druck zusammensetzt und wie man bereits im Training damit arbeiten kann, erklärt Sina Cordsen.

Unter der mentalen Stärke im Sport ist die Fähigkeit zu verstehen, dass sich ein Sportler auf die anstehende Aufgabe fokussieren kann. Dies ungeachtet von äußeren Gegebenheiten und Einflüssen im Training, sowie im Wettkampf. Es geht darum sich vom Äußeren weg und zur Aufgabe hin fokussieren zu können

Die mentale Stärke setzt sich hierbei aus vier Komponenten zusammen

  1. Die emotionale Flexibilität

Die Schlange bei der Anmeldung ist unendlich und blöderweise gibt es nun auch noch Probleme mit dem Anmeldesystem. Der Startschuss rückt immer näher und Deine Nerven liegen blank. Für dieses eine Rennen bist Du dann auch noch weit gereist und alles scheint bereits umsonst gewesen zu sein. Hier hat der Veranstalter Spartanrace glücklicherweise reagiert und den Start nach hinten verschoben.

Wie der Name schon sagt, verbirgt sich hier hinter die Fähigkeit, sich (flexibel) an Situationen anpassen zu können, ohne aus der Ruhe zu kommen und den Fokus zu verlieren. Dabei ist es wichtig positiv zu bleiben und die auftretenden emotionalen Veränderungen annehmen zu können.

Wer kennt es nicht, man ist auf dem Weg zu einem Spiel oder Wettkampf und plötzlich steht man im Stau. Die festen und geplanten Abläufe können nicht mehr in der gewohnten Routine stattfinden, da die Zeit bei der Ankunft nicht mehr ausreicht. Es ist wichtig, dass der Sportler sich hiervon nicht aus der Ruhe bringen lässt, sondern die Möglichkeiten  für sich so nutzt, wie die Zeit es zulässt. Weitere emotionale Veränderungen können sein, wenn die Familie vor Ort ist, um sich den Wettkampf anzusehen, obwohl des sonst nicht der Fall ist. Oder natürlich auch umgekehrt, dass die Freundin oder der Freund nie einen Wettkampf verpasst, aber dieses eine Mal nicht kann. Auch das sind Faktoren, die emotional auf einen Sportler wirken und an die er sich anpassen muss. Für alle Situationen gilt, es ist wichtig, dass der Sportler sich gedanklich von den äußeren Faktoren abgrenzt und sich auf die Aufgabe (den Wettkampf) fokussiert.

Ein gut anzuwendendes Trainingstool ist es ab und zu die Trainingsbedingungen oder Abläufe zu verändern. Ein Beispiel ist es dem Sportler vor einem Testlauf / Testspiel eine andere Zeit zum Warm-up zu geben, als er es sonst gewohnt ist. Dadurch muss er sich schnell an eine neue Gegebenheit anpassen und trotzdem das Beste daraus machen. Oder aber ein Training mit Zuschauern zu absolvieren, die die Aufgabe bekommen den Sportler anzufeuern oder auch eventuell versuchen ihn in eine negative Stimmung zu bringen.

So lernt der Sportler mit den unterschiedlichen Bedingungen zurecht zu kommen und kann sich bei einem Wettkampf leichter damit abfinden.

  1. Das emotionale Engagement

Am schönsten ist ein Podestplatz, wenn man nicht damit rechnet. Selbst auf dem Podest gibt es unterschiedlichste Emotionen. Der Athlet, der ständig auf dem ersten Platz liegt, steht unter enormen Leistungsdruck, auch wenn es oft nicht so scheint. Er möchte es oft nicht nur schaffen, wieder auf den 1. Platz zu landen, sondern man erwartet es von ihm. Auch auf den anderen Rängen ist es verschoben. Der zweite Platz ist oft unglücklicher als der dritte. Gedanken des Zweitplatzierten: Verdammt, nur ganz knapp hinter dem ersten. Während der Dritte froh ist, dass er überhaupt aufs Treppchen gekommen ist. Noch intensiver ist es bei Wettkämpfen mit Turniersystem wie die Fußball-Weltmeisterschaft. Der Silbermedaillengewinner verliert sein letztes Spiel und oft liegen die Spieler geschlagen, frustriert und unter Tränen auf dem Rasen. Während hingegen der Bronzegewinner das letzte Spiel gewinnt und glücklich vom Platz geht.

Diese Komponente beinhaltet die Fähigkeit auch unter Druck stehend, engagiert und aktiv zu bleiben. Die Aussage „den Kopf in den Sand stecken“ kennen viele. Das emotionale Engagement bedeutet, eben dies nicht zu tun und auch mit Druck (meist von außen), Leistung zu bringen. Solche Situationen sind beispielsweise ein wichtiger Lauf, bei dem man als klarer Favorit ins Rennen geht, routiniert zu laufen und sich nicht vom äußeren Druck aus seinem Fokus bringen zu lassen. Ein Beispiel aus dem Arbeitsalltag wäre hier die Projektpräsentation vor dem Chef oder dem Dozenten, die über eine wichtige Note oder eine Gehaltserhöhung entscheidet. Hier gibt es den Tipp den Fokus nicht nur auf das Gewinnen zu legen, sondern auf die persönlich bestmögliche Leistung.

Auch dies kann im Training bereits geübt werden, in dem der Sportler ein klares Trainingsziel (eine bestimmte Zeit, o.ä.) gesetzt bekommt und auch Konsequenzen bei Nichterreichen (Straftraining, Umkleide putzen, Geldstrafe) die Folge sind.

  1. Die emotionale Stärke

Freunde und Gegner zugleich. Sie trainieren zusammen, umarmen sich vor und nach dem Wettkampf und selbst während des Wettkampfs gibt es aufbauende Worte, falls es möglich ist, wie hier bei den Mud Masters 24h Games in Weeze. Auch bei den Eliteläufern sieht man oft, dass sie zusammen trainieren oder sogar in einem Team sind. Spätestens im Startblock wird es aber ernst. Gedanken gehen durch den Kopf. Habe ich im Training alles gegeben, bin ich gut vorbereitet, habe ich genug und das richtige gegessen und getrunken. You’ll know it at the finish line.

Hierbei geht es darum die eigene Stärke im Wettkampf dem Gegner zu vermitteln und im Gegenzug immun gegen die Stärke des Gegners zu sein. Das bedeutet nicht den Gegner zu unterschätzen oder nicht ernst zu nehmen, sondern viel mehr sich nicht von ihm einschüchtern zu lassen und Selbstbewusst aufzutreten. Niemand muss sich mit seiner Leistung verstecken oder das Gefühl haben trotz hartem Training nicht gut genug zu sein. Häufig sind Sportler zwar super auf einen Wettkampf vorbereitet und fühlen sich gut, aber tritt ein vermeintlich stärkerer Gegner an, glauben sie es nicht schaffen zu können. Diese Einstellung bzw. der Glaube an eine Niederlage, weil der Gegner auf dem Papier besser ist führt nahezu direkt zur Niederlage. Man kann beobachten, dass Sportler mit dieser Einstellung auch eine ganz andere Körperhaltung an den Tag legen. Sie  gehen gebückt, machen sich klein, fallen ggf. in sich zusammen, schauen auf die Erde, fluchen und zeigen offen ihre schlechte Laune. Es ist sehr wichtig dies im Training anzusprechen und die richtige Körperhaltung in das Training einzubauen. Der Sportler steht selbstbewusst auf dem Platz. Er ist sich also sicher, seinem Können und seiner Leistungsfähigkeit bewusst. Der Sportler soll mit breiter Brust antreten, sich groß machen, eher nach oben schaue und eine innere Ruhe mitbringen, die keinen Zweifel daran lässt, dass er sich gut fühlt und heute da ist, um sein Bestes zu geben. Wenn diese Körperhaltung bereits im Training geübt wird und zwar auch bzw. gerade dann, wenn es im Training mal nicht so gut läuft, ist es für den Sportler einfacher, dies auch im Wettkampf umzusetzen

  1. Die emotionale Spannkraft

Dieses Hindernis nennt sich Pegboard und war 2017 ein echter Gamechanger, wie hier beim Strong Viking in Wächtersbach. Viele sind daran gescheitert. Mittlerweile ist es immer noch ein ernstzunehmender Gegner, aber die Athleten haben sich darauf eingestellt. Zeitweise konnte man sehr gut beobachten, wie die Läufer und Läuferinnen auf das Hindernis zugingen mit unsicherem Blick aufs Hindernis, ewiges Warten vor dem ersten Versuch, das Scheitern bereits im Kopf. Es brauchte viele Läufe, um die Technik zu verfeinern. Mache ich die Monkeybars Variante, wie auf dem Bild oder parallel auf ein Seite, langer Arm oder Körper hochgezogen. Einige bauten sich sowas sogar in den Garten. 

Diese Fähigkeit bezieht sich darauf, dass man Rückschläge gut wegstecken kann und motiviert und konzentriert an der Aufgabe dran bleibt.

Eben noch lag man mit einem Tor vorne, bzw. hatte noch einige Sekunden auf den Verfolger gut und kurze Zeit später wurde man überholt, bzw. geht der Gegner in Führung.

Bei vielen Sportlern geht nun das Kopfkino los. Gedanklich gibt man auf und redet sich selber ein es nicht zu schaffen den Rückstand aufzuholen. Gleiches kann auch schon in Trainingssituationen passieren, wenn man die vorgenommene Zeit nicht schafft oder das vorgenommene Tempo zwischenzeitlich nicht mehr halten kann.

In solchen Momenten, ganz gleich ob Training oder Wettkampf muss der Sportler lernen und trainieren positiv zu bleiben und sich an diese Gegebenheit anzupassen. Hierbei können positive Selbstgespräche helfen, die im Gegensatz zum eben angesprochenen Kopfkino den Sportler bestärken und wieder aufbauen. Anstatt sich über den Rückstand zu ärgern, kann man sich auch sagen, dass man gleich wieder die Kraft hat und wieder aufholen wird. Wenn man im Training das Tempo über eine gewisse Strecke nicht halten kann, geht man davon aus, dass man am Ende nochmal ein bisschen Zeit wieder rausholen kann.

Auch eine analytische Herangehensweise kann hier sehr hilfreich sein. Beispielsweise ist man auf den ersten Kilometern ein wenig zu schnell angelaufen, hat vorab nicht optimal gegessen oder, um auf die Wettkampfsituation zurück zu kommen, konnte der Gegner vielleicht eine gewisse Zeit im Windschatten laufen, um daraus anzugreifen. Hier spricht nichts dagegen dem Gegner dies gleichzutun.

Nach größeren Niederlagen hilft es häufig, nach ein paar Tagen der Ruhe, die Niederlage aufzuarbeiten, zu analysieren was nicht optimal gelaufen ist (im Wettkampf, in der Vorbereitung, usw…) und daraus einen neuen Plan zu entwerfen. Hierbei kann man mit dem Motto: „Jetzt erst recht“ arbeiten, welches den Sportler neu motiviert. Wichtig hierfür ist eine Veränderung im Training bzw. in der Vorbereitung zu haben, damit der Sportler einen kleinen Neuanfang hat.

Nicht jeder Sportler muss an jeder Komponente arbeiten. Es reicht oft herauszufinden, wo die größten Probleme liegen und hier gezielt zu arbeiten. Es hilft bei jungen Athleten alle Komponenten ins Training einzubeziehen und zu beobachten, was ihnen leicht fällt und an welchem Punkt sie Schwierigkeiten haben. Wie bei allem anderen auch ist das Mentaltraining ein stetiger Prozess, der einen festen Punkt im Training ausmachen sollte, damit hier immer weiter gearbeitet werden kann, denn es werden immer wieder neue und unbekannte Situationen auftreten, an die sich ein Sportler anpassen muss.

Sina Cordsen

Sina Cordsen kommt aus Bremen und hat ihren Bachelor in Sport- und Fitnessökonomie. Sie arbeitet bereits seit 2013 als DIE FITALISTIN selbständig als Personal Trainerin (mit TÜV Rheinland Zertifikat) und ist selbst auch 2. Vorsitzende des Bundesverbandes für Personal Training e. V.

Sie ist darüber hinaus Ernährungstrainerin, sowie Mental Coach.

Sie ist Dozentin und Referentin für die unterschiedlichsten Fitness Dienstleister, wie das Betriebliche Gesundheitsmanagement oder Akademie für Sport und Gesundheit.

Dass sie sich mit dem Druck eines Sportlers nicht nur theoretisch auskennt, weiß sie aus ihrer Zeit vor dem Studium, wo sie sich im Leistungssport als Spring- und Dressurreiterin bewegte.

Heute ist sie aktive Freizeitläuferin und dennoch leistungsorientiert, denn sie hat sich für 2021 feste Zeile gesetzt und arbeitet an ihren aktuellen Bestmarken auf der 10k Distanz und im Halbmarathon.

  • Titelbild by Strong Viking
  • Profilbild Sina Cordsen by Vera Döpke Photography
  • Sonstige Fotos by Hindernislaufguru

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